The girl on the train - Paula Hawkins

The Girl on the Train

Als eine Mischung aus Gone Girl und Hitchcock's Das Fenster zum Hof wird dieser Debut-Roman von Paula Hawkins angepriesen. Der Vergleich ist nicht weit hergeholt: Es geht um die neugierige Zeugin eines Verbrechens. Und genau wie bei Gillian Flynn bekommen wir es bei Paula Hawkins mit einem ‚unreliable narrator‘ zu tun. Ach, was sage ich: Sogar drei Erzählerinnen gibt es hier, und keiner von ihnen können wir über den Weg trauen.
Die emotional am Boden liegende Rachel ist Alkoholikerin mit häufigen Blackouts. Was wirklich geschehen ist und was nicht, weiß sie noch nicht einmal selbst. Erst recht nicht, was das durchs Zugfenster beobachtete Pärchen angeht und das verklärte Bild, das sich Rachel von ihnen gemacht hat.

Megan, die eine Hälfte dieses Pärchens, ist alles andere als eine Heilige. Und auch Anna, die ein paar Häuser weiter lebt, ist nur auf den ersten Blick die treusorgende Ehefrau und Mutter. Niemand ist, was er zu sein scheint. Was der eine über den anderen zu wissen glaubt, ist nur ein Trugbild.

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Nichts als Dreck am Stecken

Den Stein ins Rollen bringt das Verschwinden einer dieser Frauen. Zwischen allen drei Ich-Erzählerinnen hin- und herwechselnd, wird die Story zu einem verflochtenen, dornigen Dickicht aus Verdächtigungen, in dem sich immer mehr Unwägbarkeiten auftun. Bis zum Kern der Wahrheit dauert es, und als wir dort ankommen, ist uns schon übel vor lauter Lügen, Perfiditäten und Hinterlistigkeiten.

Im Gegensatz zu Gone Girl gibt es nicht den großen Überraschungstwist. Den Schluss kann man erahnen. Der Weg dorthin, dieses voyeuristische Lehrstück über die schlangenhafte Natur des Menschen, ist das Ziel.

Sympathisch wird einem übrigens keine der drei Erzählerinnen. Wer eine Identifikationsfigur braucht, wird sich schwer tun. Vor allem Rachel möchte man ab und an mit irgendetwas bewerfen. Leicht zu ertragen ist dieses Spielchen nicht.

Die Sprecherinnen: Von listig bis labil

Herausragend sind dafür die Sprecherinnen! Clare Corbett bringt die ganze abgewrackte Unsicherheit und das Geltungsbedürfnis von Rachel zum Ausdruck. India Fisher hört sich nur auf den ersten Blick zu unbeteiligt und monoton an – da verbirgt sich mehr dahinter. Die Glanzleistung kommt von Louise Brealey ('Sherlock'): Unschuld und Angst lugen aus jedem Satz hervor – bis sich eine Falltür in der Geschichte auftut und Brealey uns mit stiller Intensität in ein abgründiges Trauma stürzt.

Kein handlungsreicher Actionkracher also, sondern eine bitterböse Psychostudie über den Dreck unter unseren Teppichen und die Leichen im Keller. Am Ende hat man das dringende Bedürfnis, sich die Hände zu waschen.

Und auf Deutsch?

Hawkins' Roman ist am 12.06.2015 unter dem etwas sperrigen Titel Girl On The Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich auf Deutsch erschienen. Außerdem hat Hollywood zugeschlagen: Dreamworks hat sich die Filmrechte schon gesichert.

Hier geht es zum Download: "The Girl On The Train" von Paula Hawkins.